Cellosteg Mittenwald ca 1770?

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baroquecello
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Cellosteg Mittenwald ca 1770?

Beitrag von baroquecello »

Seit einigen Monaten bin ich stolzer Besitzer eines Mittenwalder Cello Ca 1770~80, wohl Joseph Klotz I. Ich nutze es als Barockcello, da es mir in semi-barocker Zustand übergeben wurde. Der Steg, ein Banks-Modell, muss ersetzt werden weil er nicht ganz gut passt und etwas zu niedrig ist, und ich bin auf der Suche nach Informationen zu Cello-Setup, vor allem zum Steg (aber auch z.B. zum Saitenhalter) in Mittenwald aus der Entstehungszeit des Cellos. Ich habe bisher buchstäblich nichts gefunden. Auch das Geigenbaumuseum in Mittenwald hat dazu keine Informationen(!). Ist hier jemand, der dazu irgendwelche Informationen hat? Oder hat das Museum in Markneukirchen Infos zu Cellosetup aus der Zeit, auch wenn es nicht direkt Mittenwald ist?

Udo Kretzschmann
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Re: Cellosteg Mittenwald ca 1770?

Beitrag von Udo Kretzschmann »

Sehr geehrte(r) ?,

es dürfte auch im Markneukirchner Museum oder über dieses Forum schwer werden, Informationen zu bekommen. Aber können Sie bitte erst einmal konkretisieren, was Sie genau wissen wollen? Recherche in Büchern kostet viel, viel Zeit. Da möchte man wenigstens wissen, wonach genau man suchen soll.

Mit freundlichen Grüßen

Udo Kretzschmann

baroquecello
Beiträge: 2
Registriert: So 08. Okt 2023, 13:09

Re: Cellosteg Mittenwald ca 1770?

Beitrag von baroquecello »

Sehr geehrter Herr Kretschmann,
Danke für die Reaktion! Ich suche nach Informationen, die das kopieren lassen eines Cellosteges aus der Entstehungs-zeit und -region meines Cellos ermöglichen würden. Damit meine ich idealerweise natürlich einen erhaltenen Steg, oder aber ein Bild/Bilder, auf dem das Modell gut erkennbar ist, oder eine Schablone. Messungen wie Höhe, Tiefe, Breite, Gewicht, alles was es zufälligerweise gibt wären natürlich zusätzlich hilfreich. Im Technisches Museum Wien befindet sich in der Kollektion zum Beispiel ein Steg von Johann Joseph Stadelmann aus ca 1760 https://data.tmw.at/object/136842, und sogar eine Schablone https://data.tmw.at/object/190847, anhand dessen sich ein Stegmodell machen lässt. Nun ist Stadelmann ein Wiener Geigenbauer, und Wiener Instrumente sind etwas anders als die Mittenwalder der selben Zeit, aber wenn ich nichts finde, was mir "näher dran" erscheint, dann werde ich zusammen mit meinem Geigenbauer darum bemühen, einen ähnlichen Steg für mein Cello zu machen. Falls sich solche Info bezüglich Stege, die aus dem Mittenwalder Raum stammen, auftun ließen, wäre das grandios.

Ich bin interessiert an der historischen Aufführungspraxis. Wenn es dabei über die Wahl des Setups geht, geht man etwas anders voran als beim modernen Setup. Beim modernen Setup hat der Spieler einen Wunsch, einen Idealbild dessen, was er klanglich schön und spieltechnisch angenehm findet. Erfahrene Geigenbauer können einiges steuern, was das klangliche angeht (auch wenn es sicher keine exakte Wissenschaft ist, und die Möglichkeiten begrenzt), und bei der Wahl der zwei Modellen (belgisch und Französisch) einiges machen können um dieses Ideal hoffentlich etwas näher heranzukommen. Für historisch informiertes Spiel geht man gewissermaßen andersherum heran: man nimmt was man findet, und lernt damit erst mal umgehen, und versucht sich vorzustellen, wie man das, was man damit bekommt, künstlerisch einsetzen kann. Danach lernt man vielleicht etwas mehr darüber, was man mag und was nicht, und passt auch mal was an den eigenen Bedürfnissen an, aber die Ausgangsposition, ist dass man erst den eigenen Geschmack anpasst, statt "das Holz", um möglichst dem Geschmack der Zeit nahe zu kommen. Ich wüsste gerne, was ein Steg, so wie er vom z.B. Joseph Klotz I zum Cello hätte geliefert sein können für klangliche und Spiel-Eigenschaften hätte. Ich finde es etwas erstaunlich, dass über Setup so wie es möglicherweise von einer historisch so wichtigen Gruppe deutscher Geigenbauer gemacht wurde so wenig bekannt ist.

Herzlichen Gruß, Leonard

Udo Kretzschmann
Geigenbaumeister
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Re: Cellosteg Mittenwald ca 1770?

Beitrag von Udo Kretzschmann »

Hallo Herr Leonard,

Danke für die ausführliche Antwort und ganz besonders für das Teilen der sehr interessanten Adresse in Wien! Wenn nur mehr Teilnehmer am Forum so eine Einstellung hätten...

Leider ist der Bestand unseres Museums (noch) nicht so aufgearbeitet, es fehlt einfach an Mitarbeitern. Ich wünschte mir, dass neben aller wichtigen Besucherbetreuung mit Führungen etc. mehr wissenschaftliche Arbeiten möglich würden! Vielleicht lesen das ja die Geldgeber.

Doch zurück zu Ihrem Anliegen. Ich konnte ermitteln, dass es im Bestand einen Geigensteg von "Egyd Klotz" gibt, aber sonst konnte ich im Zusammenhang mit Mittenwald keinen weiteren Steg finden. Einige Konvolute mit diversen Stegen sind nicht im Einzelnen aufgeführt, da würde nur ein Gang mit genügend Zeit ins Museum helfen. Aber ich mache wirklich wenig Hoffnung, dass sich da ein Cellosteg aus Mittenwald aus der zweiten Hälfte des 18. Jh. nach Markneukirchen verirrt hat. Es ist wohl so, dass vor allem Instrumente aus Sachsen und Böhmen zur Begutachtung oder Reparatur nach Markneukirchen gebracht werden, französische oder Mittenwalder Geigen tauchen hier nur äußerst selten auf, leider. Und so kamen wohl auch in der Vergangenheit wenig Exponate aus der Mittenwalder Region in das Markneukirchner Museum.

Viele Grüße

Udo

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